Wie weiter mit den Öffentlichen Bibliotheken in Sachsen?
19 Mio. Entleihungen, 7 Mio. Medien, davon 233 Tsd. elektronisch, 5,5 Mio. Besucherinnen und Besucher, 21 Tsd. Veranstaltungen, 390 Öffentliche Bibliotheken, rund 900 ehrenamtlich Engagierte – das ist die stolze Bilanz der Öffentlichen Bibliotheken in Sachsen im Jahr 2023. Jetzt hat das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus zusammen mit den Bibliotheken unter Federführung von Prof. Dr. Andrea Nikolaizig (Leipzig) und SLUB-Generaldirektorin Katrin Stump (Dresden) eine Perspektivenstudie erarbeitet und im Juli 2024 vorgelegt hat.
Darin wird zuerst an die Aufgaben öffentlicher Bibliotheken erinnert: Information und Ermöglichung des Selbstlernens (vom Lesenlernen, über Aus- und Weiterbildung bis zum Lebenslangen Lernen), Unterstützung allgemeiner (kultureller, politischer, demokratischer) Bildung, Sicherung eines schönen Lern- und Kommunikationsorts für alle in den Gemeinden, Bewahrung und Vermittlung kultureller Überlieferung im Verbund aller Bibliotheken – dies sind vier von zehn aufgeführten Argumenten.
Eine von drei enthaltenen Bibliothekskarten präsentiert die Orte und Regionen in Sachsen mit hauptamtlich (blau) und neben- bzw. ehrenamtlich (rot) geführten Bibliotheken sowie mit den dünn besiedelten Regionen (grau), die über keine Bibliothek verfügen und deshalb mit Bücherbussen, auf digitalem Wege und mit innovativen neuen Lösungen zu versorgen sind. Im deutschlandweiten Vergleich darf man insgesamt von einem engen Bibliotheksnetz in Sachsen sprechen, das freilich seit Längerem vor großen demografischen und digitalen Herausforderungen steht.
Öffentliche Bibliotheken in Sachsen, Bibliothekskarte, S. 16-17
Die 83-seitige Publikation zeigt Handlungsfelder, Perspektiven und Gute Praxis-Beispiele auf und will damit die sehr unterschiedlichen Einrichtungen unterstützen, sich nach den Bedarfen vor Ort und mit den Möglichkeiten vernetzter Verbundlösungen weiterzuentwickeln, d.h. sich in jedem Einzelfalle für die Zukunft der eigenen Bibliothek zu engagieren. Den Bibliotheken wird deshalb empfohlen, mit Entwicklungsplänen die jeweilige Kommune, die Verwaltung und vor allem die Bürgerinnen und Bürger von ihrer Einrichtung zu überzeugen, sie für ihre Einrichtung zu begeistern.
Die Förderung der Lesekompetenz und die Weckung von Neugierde ist die wohl wichtigste Aufgabe aller Gemeindebibliotheken, insbesondere für die kleinen und kleinsten Nutzer, zur Unterstützung ihrer Eltern und ihrer Schulen. Dabei spielen viele der rund 900 Ehrenamtlichen eine positive Rolle, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (in den Öffentlichen Bibliotheken Sachsens insgesamt 731 Vollzeitstellen) zur Seite stehen.
Insgesamt förderten die Gemeinden und Landkreise 2023 die Öffentlichen Bibliotheken mit rd. 64 Mio. EUR, hinzu kamen Drittmittel von knapp 8 Mio. EUR, insbesondere aus dem Fonds der deutschlandweit einzigartigen Kulturraumfinanzierung. Über die Verteilung der insgesamt 102 Mio. EUR aus diesem Landesfonds für die acht sächsischen Kulturräume und für alle Kultursparten von regionaler Bedeutung (Orchester, Theater, Musikschulen, Bibliotheken u.a.) entscheiden die Unterhaltsträger kommunaler Kultur gemeinsam mit den Kulturräumen eigenständig.
Dass erst 94% der hauptamtlichen Bibliotheken über einen Internetzugang verfügen, nur 112 (68%) über Internetarbeitsplätze und 96 (59%) über W-LAN, ist für Silicon Saxony leider keine gute Bilanz. Ob hier Firmenpatenschaften für digitale Bildung zum wechselseitigen Nutzen weiterhelfen? Schließlich benötigt das Land händeringend gut ausgebildete Fachkräfte, und digitale Kompetenz ist heute ebenso wichtig wie die grundlegende Lese- und Rechenkompetenz.
Wohl auch deshalb wurde die Sächsische Landesfachstelle für Bibliotheken an die Sächsische Landesbibliothek – Staats und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) mit ihren ausgebauten Digitalkompetenzen für das ganze Land angegliedert. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den „Großen“ und den „Kleinen“, zwischen wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken, zwischen allen Beteiligten, die einander wechselseitig brauchen, ist wichtig für alle weiteren Entwicklungen und Bildungserfolge. Eine positive Rolle spielt auch der Landesverband Sachsen des Deutschen Bibliotheksverbandes, der sich für gemeinsame Veranstaltungsreihen wie Lesungen, den alljährlichen Buchsommer und nicht zuletzt für die Vergabe des Sächsischen Bibliothekspreises engagiert.
Nur 14 der 390 Bibliotheken (3,6%) haben auch einen eingetragenen Freundes- und Förderkreis, dabei haben verlässliche und ideenreiche Bibliotheken viele Freunde, deren Engagement wichtig ist. In dieser Zahl sind Förderkreise von Schulen nicht mitgezählt, die sich auch um die Schulbibliotheken kümmern. Es ist zu wünschen, dass die jetzt vorgelegte Bestandsaufnahme neue Kräfte freisetzt, in den Bibliotheken selbst, bei den Nutzenden, in Politik und Gesellschaft, bei Freunden und Förderern.
Es gibt viele Wünsche von und an Bibliotheken, nur ein Beispiel zum Schluss: Wie kommen die Bibliotheken insbesondere in den Mittelstädten zu mehr (überregionalen) Zeitungen? Offensichtlich kennen viele „Lügenpresse“-Schwadronierer die guten Zeitungen in Deutschland überhaupt nicht. Wäre es nicht sinnvoll, über die Großstadt- und Universitätsbibliotheken hinaus in weiteren Einrichtungen mehr gute Zeitungen – gedruckt oder online – anzubieten?